Osteuropa und die lustigen 5
Ort: Dücze, Türkei
Kilometerstand: 3.740 km
73 Tage unterwegs
Obwohl wir in Kroatien nur wenige Tage waren, hat uns dieses Land unglaublich beeindruckt. Trotz der
unübersehbaren Spuren der Jugoslawienkriege (erst 2001 beendet), sind die Menschen so freundlich und
herzlich, dass wir uns sehr wohl gefühlt haben. Gerade die Region um Vukovar gehörte zum schwer umkämpften
Gebiet und überall stehen noch zerschossene und zerbombte Häuser.
Hier mal zwei gute Beispiele für die kroatische Unbeschwertheit und Hilfsbereitschaft:
Nach einer späten Zeltplatzsuche waren unsere Räder von oben bis unten mit Schlamm bedeckt (man sollte
kurz nach einem Gewitter keine Feldwege entlangfahren…obwohl wir dort einen sehr schönen Zeltplatz an
der Donau gefunden haben) und ich konnte kaum noch fahren, soviel Dreck hatte sich unter meinen
Schutzblech angesammelt. In der nächsten Stadt fuhren wir schnurstracks zur nächsten Waschanlage,
um unsere Getriebe zu reinigen und unsere Ohren nicht länger diesem schrecklichen Knirschen auszusetzen.
Kurzerhand wurden dort unsere Räder vom Besitzer kritisch beäugt und für viel zu dreckig erklärt - da
muss man was gegen tun! Nach einer halben Stunde und der Hilfe eines Hochdruckreiniger erklärte er:
"Now you've got two new bikes!" Geld wollte er keines, war aber sichtlich stolz auf sein Werk. Und
wir erst!
Kurz vor der Grenze wollten wir unser letztes kroatisches Geld ausgeben und beschlossen, uns etwas
richtig Gutes zum Abendbrot zu gönnen. Ganze 58 Kuna kratzen wir zusammen - umgerechnet so 8 Euro.
Nicht viel um ‚sich etwas zu gönnen', aber versuchen wollten wir es trotzdem. In einem kleinen
Restaurant wurden wir fündig: ‚Struce' ist eine zusammen gefaltet Pizza, unsere war mit ‚Kulen',
eine für Kroatien und Serbien typische, scharf gewürzte Salami, belegt. Sehr lecker. Und das Geld
reichte noch, um eine süße Pizza mit weißer und dunkler Schokolade, Nüssen und Schlagsahne zu
bestellen…mmmhhhh! Die Kellnerin wollte auch etwas zu trinken bringen, der Kaffee wäre hier doch so
gut. Nachdem wir ihr verständlich gemacht hatten, dass es nur fürs Essen reicht, zuckte sie die Achseln
und ging. Wenige Minuten später brachte sie uns beiden Kaffee und meinte, das ginge aufs Haus. Frank
(auf Kaffeeenzug) ist ihr vor Freude um den Hals gefallen.
Zwischen Kroatien und Serbien konnten wir kaum Unterschiede feststellen. Leute auf den Straßen, Kinder
und Gruppen von Erntehelfern sahen auf und lachen und winken, rufen uns ‚Gute Reise!' oder ‚Bravo,
bravo!' zu. Schon seit Kroatien begegnen wir nur noch einzelnen Reiseradlern. Und die wenigen, die wir
treffen, haben es in sich: so Markus aus der Schweiz, 70 Jahre alt und schneller unterwegs als wir,
sein Ziel: das Delta. Dort trifft er seine Frau und fährt mit ihr auf einem Schiff die Donau wieder
nach oben. Alle Hochachtung!
Kaum in Belgrad angekommen, verfahren wir uns erst einmal gründlich. Diese Stadt ist gerade dazu
geschaffen sich in ihr zu verirren: die Straßen klein und unübersichtlich (abgesehen von der
Hauptstraße, diese ist dreispurig, komplett überfüllt und noch unübersichtlicher), es gibt keine
erkennbaren Regeln und Gehwege voller Treppen. Tja und da wir ja lernfähig sind, haben wir uns mit
einer groben Karte und den Straßennamen zu den verschiedenen Hostels ausgestattet. Bringt uns hier
nur leider nichts, denn alle Straßennamen sind in kyrillischen Buchstaben. Juhu. Am Ende landen wir
wieder an der Touristeninfo, werden dort fleißig fotografiert und treffen schließlich Piet, einen
Reiseradler aus Leipzig, den wir schon kurz in Budapest getroffen hatten. Mit ihm sitzen wir am Abend
auf der Dachterrasse unseres Hostels, lassen Belgrad auf uns wirken und hocken gemeinsam über den
Karten (Ziel von Piet: Iran).
Belgrad strahlt eine ganz eigene Atmosphäre aus. In der Vergangenheit wurde es mehrmals stark
zerstört und erst vor einigen Jahren während des Kosovokrieges (1999) bebombt. Teilweise gibt es
noch Kriegsruinen im Stadtzentrum, die weder aufgebaut noch abgerissen werden. Heute ist Belgrad
die kulturelle, politische und wirtschaftliche Metropole Serbien und das Straßenbild wird von
Studenten, Kunstateliers und kleine Bars geprägt. Dennoch sind die vom Ruß gezeichneten
Häuserschluchten überall zu finden, alles ist voller Antennen, Kabel, alles wirkt durcheinander,
die gewohnte Ordnung aus Deutschland fehlt. Man kann sich an dieser Stadt nicht satt sehen, überall
Menschen, bunte Stände, hupende Autos, Buse die einen fast überfahren. Chaos. Aber eins, welches
uns gefällt. Die paar Tage die wir hier sind, genießen wir sehr. Durch Zufall findet in Belgrad
gerade ein Kunst/Musikfestival in einem alten Industriegelände statt. Die ganze Kunstszene hat
sich hier versammelt und präsentiert sich. Am Tag unserer Weiterreise wird in Belgrad der
Kriegsverbrecher Mladic gefasst, seit 1995 fahndet das Uno-Kriegsverbrechertribunal nach ihm.
Diese Stadt hat viele Gesichter!
Der Abschied fällt uns nicht schwer, da wir Belgrad zu fünft verlassen. Neben Piet sind auch Sabine (Österreich) und Vincent (Frankreich), die wir in Ungarn kurz getroffen hatten, zu uns gestoßen. Wir sind gespannt, wie es ist, in einer großen Gruppe zu reisen. Weit kommen wir aber vorerst nicht. Keine 100km von Belgrad entfernt finden wir einen Zeltplatz mitten in einer kleinen Wochenendsiedlung direkt an der Donau. Das Haus ist unbewohnt und wir stellen uns in den offensichtlich nicht genutzten Garten. Keine der Nachbarn scheint etwas dagegen zu haben. Am Morgen werden wir dann sogar von drei Anglern, die hier das Wochenende verbringen, zum Rakia trinken eingeladen. Noch vor dem Frühstück. Da ist die Verständigung auf Englisch und mittels Zeichensprache auch bald kein Problem mehr. Die Serben haben sichtlich Freude daran, unser Gläser mit ihrem selbstgemachten Traubenschnaps immer wieder zu füllen. Schließlich meinen sie, wir sollen doch zum Mittag bleiben, ihre Frauen würden bald kommen und den riesigen gefangenen Fisch zubereiten. Vielleicht würde man auch eine traditionelle Fischsuppe machen. Ein ‚Nein, Danke.' wäre da sicherlich unhöflich gewesen und so bleiben wir, ganz uneigennützig. Nach einem vorzüglichen Mittagessen, mit gebratenem Fisch, extra für uns zubereiteter traditioneller Fischsuppe sowie noch mehr Rakia und Wein ist es schließlich 17 Uhr. Daher bauen wir unsere Zelte wieder auf. Die Männer freuen sich, denn am Abend wird das Finale der Champions League übertragen und in dem kleinen Haus gibt es wie durch Zufall einen TV (Strom kommt vom Generator). Was für ein anstrengender Radeltag und ein Inbegriff serbischer Gastfreundschaft!
Aber am nächsten Morgen geht es dann tatsächlich weiter, auf zum "Eisernen Tor", dem
Donaudurchbruch der Karpaten. Der Nationalpark ist, wenn auch hügelig, landschaftlich
beeindruckend und wunderschön.
Unsere kleine Gruppe ist inzwischen zu einem guten Team geworden. Abends werden 3-Gänge Menüs
gezaubert: Salat, Hauptgang und Dessert. Tagesüber trainieren wir fleißig unsere Lachmuskeln.
Als Jakob aus Hamburg zu uns stößt, erhalten wir schließlich auch die offizielle Bezeichnung:
"die lustigen Fünf". Jakob kann man sich in etwa wie Vin Diesel auf dem Rad vorstellen, unterwegs
in den Kaukasus zum Wandern und Radeln. Wie der Hühne allerdings in sein Mini-Hilleberg passt,
ist Vincent (selber fast 2m groß) ein Rätsel. Selbstverständlich zelebrieren wir auch Männertag
und Vincent (Franzose) wird in die geheimen Männertag-Rituale eingeführt und ist schwer angetan.
Am Ende sind wir 14 Tage zu fünft unterwegs, unsere Wege trennen sich erst in Ruse (Bulgarien)
und wir haben jede Minute genossen!
Zur Gallerie Top